Grabpflegekosten führen nicht stets zu einer Kürzung des Pflichtteilanspruchs

Grabpflegekosten und Pflichtteil

Ein Dauerthema unter den Erbrechtlern war die Frage, ob Grabpflegekosten bei der Berechnung eines Pflichtteilsanspruchs mindernd berücksichtigt werden können.

 

Diese Frage wurde nun vom BGH geklärt.

Allgemeines zum Pflichtteil

Bestimmte Personen, so insbesondere Abkömmlinge (also Kinder), haben ein Pflichtteilsrecht.

 

Die Höhe der Pflichtteilsquote entspricht der Hälfte des gesetzlichen Erbteils.

 

Der Pflichtteil muss von dem/den Erben bezahlt werden.

 

Beispiel zur Grabpflege und dem Pflichtteil

Verstorben ist eine männliche Person. Diese lebte zum Zeitpunkt seines Todes mit seiner Lebensgefährtin zusammen, die er in einem Testament zu seiner Alleinerbin eingesetzt hat. Der Erblasser hatte aus einer früheren Beziehung einen Sohn.

 

Da der Sohn infolge des Testaments enterbt ist, hat er einen Pflichtteilsanspruch. Die Pflichtteilsquote beträgt 50%. Das ist die Hälfte von den 100% die er sonst - also wenn es das Testament nicht geben würde - geerbt hätte.

 

Basis für die Höhe des Pflichtteilsanspruch ist der Wert des Nachlasses. Bei der Berechnung werden Nachlassverbindlichkeiten abgezogen, so z.B. Beerdigungskosten.

 

Der Erblasser hatte in dem Beispiel ein überschaubares Vermögen von 15.000 EUR. Die Beerdigung kostete 5.000 EUR. Somit beträgt der Pflichtteil 1/2 von 10.000 EUR.

 

Der Erbin verbleiben also, nachdem sie den Pflichtteil bezahlt hat, 5.000 EUR.

 

Aber verblieben ihr diese wirklich?

 

Sie muss an die Grabpflegekosten denken.

 

Wenn die Erbin, z.B. aus gesundheitlichen Gründen, sich nicht selbst um die Grabpflege kümmern kann, muss sie ein Unternehmen (etwa eine Gärtnerei) beauftragen. Das wird jährlich zwischen 150 und 350 EUR kosten. Wenn mit 250 EUR Jahreskosten über 20 Jahre gerechnet wird, wären dies 5.000 EUR.

 

Unter dem Strich würde die Lebensgefährtin, obwohl sie die alleinige Erbin ist, also „leer“ ausgehen.

 

Argumente für eine Berücksichtigung der Grabpflegekosten

Es liegt daher nahe, dass ein Erbe die Grabpflegekosten bei der Berechnung eines Pflichtteilsanspruchs mindernd berücksichtigen will.

 

Welche Argumente hätte ein Erbe?

 

Nun, der Erbe könnte darauf verweisen, dass in § 1968 BGB die Rede von den Kosten „der Beerdigung“ ist und diese Formulierung „weit“ verstanden werden müsse, so dass auch die nachfolgenden Kosten der Grabpflege berücksichtigt werden müssten.

 

Weiter kann der Erbe auf die Friedhofsatzungen verweisen. Danach muss die Grabpflege für die Gräbeliegezeit sichergestellt werden.

 

Weiter akzeptiert auch das Steuerrecht die Grabpflegekosten. So finden diese bei der Erbschaftsteuer eine Berücksichtigung (§ 10 V Nr. 3 ErbStG).

 

Schließlich ist im Beispiel der Erbin die Grabpflege vom Erblasser in seinem Testament ausdrücklich zur „Auflage“ gemacht worden.

 

Nach alldem spricht also einiges dafür, die Grabpflegekosten als Nachlassverbindlichkeit zu sehen und bei der Pflichtteilsberechnung zu berücksichtigen.

 

BGH-Urteil zu den Grabpflegekosten

Der BGH erteilt all diesen Argumenten eine Absage.

 

Das Gericht stellt klar, dass in § 1968 BGB nur die Kosten der Beerdigung - also der Bestattung - geregelt sind. Eine spätere Grabpflege gehöre nicht zur Beerdigung. Auch habe weder das öffentliche Recht (Friedhofsatzung) noch das Steuerrecht hier einen pflichtteilsmindernden Einfluss.

 

Die der Erbin im Testament auferlegte Grabpflege stelle auch keine abzuziehende Nachlassverbindlichkeit dar. Zwar ist in § 1967 II BGB geregelt, dass Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen und Auflagen zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören. Jedoch ergibt sich aus den §§ 1991 IV BGB, 327 InsO eine klare Rangfolge: Danach gehen Pflichtteilsansprüche den Verpflichtungen aus Vermächtnissen und Auflagen vor!

 

Wichtig für die Praxis

Wichtig für die Praxis ist aber der Hinweis des BGH auf die sog. Erblasserschulden.

 

Nach § 1967 II Alt. 1 BGB zählen zu den bei der Berechnung von Pflichtteilsansprüchen zu berücksichtigenden Nachlasverbindlichkeiten insbesondere die „vom Erblasser herrührenden Schulden“.

 

Was bedeutet dies?

 

Hat der Erblasser zu Lebzeiten einen Grabpflegevertrag abgeschlossen, dann bindet diese sich aus dem Vertrag erbende Verpflichtung den Erben!

 

Tipp

 

Wenn  Sie also Ihre spätere Grabpflege sichergestellt sehen möchten und Pflichtteilsberechtigte sich diese Kosten rechnerisch entgegenhalten lassen sollen, dann müssen Sie rechtzeitig handeln. Dazu wenden Sie sich z.B. an eine Gärtnerei und regeln die spätere Grabpflege vertraglich.
Die nach Ihrem Tod entstehenden Grabpflegekosten sind nur dann bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs wertmindernd zu berücksichtigen.

 

Autor: Heiko Müller

Rechtsanwalt und Notar
Fachanwalt für Erbrecht