Einleitung
Wer Vermögen zu Lebzeiten an seine Kinder verschenkt – sei es eine Immobilie oder Geld – denkt meist an die geregelte Weitergabe des Familienerbes und an einen finanziellen Ausgleich unter Geschwistern. Doch was passiert, wenn der Schenker später pflegebedürftig wird und die eigenen Mittel nicht mehr ausreichen? Welche rechtlichen Fallstricke lauern, wenn mehrere Kinder zu unterschiedlichen Zeitpunkten beschenkt werden? Und wie schützt man sich vor bösen Überraschungen, wenn das Sozialamt ins Spiel kommt?
Die Ausgangssituation: Schenkungen im Familienkreis
Viele Eltern möchten ihr Vermögen noch zu Lebzeiten auf ihre Kinder übertragen. Häufig handelt es sich dabei um Immobilien, die einem Kind überschrieben werden, während das andere Kind einen finanziellen Ausgleich erhält. Typisch ist die Konstellation, dass die Eltern sich ein lebenslanges Wohnrecht an der Immobilie vorbehalten – so sichern sie sich davor ab, ihr bisheriges Dach über dem Kopf zu verlieren.
Ein Beispiel: Ein Vater hat einen Sohn und eine Tochter. Die Immobilie wird auf den Sohn übertragen, der Vater behält sich ein lebenslanges Wohnungsrecht vor. Die Tochter soll irgendwann später einen Geldbetrag erhalten. Für die Geldüberweisung ist kein Notar notwendig – sie erfolgt formlos per Banküberweisung.
Der Pflegefall als Risiko: Wenn das Geld nicht reicht
Kommt es einige Jahre nach der Schenkung zu einer Pflegebedürftigkeit, können die Kosten für ein Pflegeheim schnell die eigenen Mittel übersteigen. Reichen Rente und Pflegeversicherung nicht aus, müssen Sozialleistungen beantragt werden. In dieser Situation stellt sich die Frage: Können Schenkungen der letzten Jahre zurückgefordert werden, um die Pflegekosten zu decken?
Die Antwort gibt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), insbesondere § 528 BGB: Ist der Schenker nach der Schenkung außerstande, seinen eigenen Unterhalt zu bestreiten oder gesetzliche Unterhaltspflichten zu erfüllen, kann er das Geschenk zurückfordern. Das gilt auch, wenn der Schenker selbst die Rückforderung gar nicht wünscht – dann kann der Sozialleistungsträger oder ein gerichtlich bestellter Betreuer die Rückforderung geltend machen.
Die Zehnjahresfrist: Rechtssicherheit für Beschenkte
Nicht jede Schenkung kann unbegrenzt rückgängig gemacht werden. Das Gesetz sieht eine klare Grenze: Liegt die Schenkung mehr als zehn Jahre zurück, ist eine Rückforderung ausgeschlossen. Diese Zehnjahresfrist sorgt für Rechtssicherheit und schützt die Beschenkten davor, nach vielen Jahren mit Rückforderungen konfrontiert zu werden.
Wer muss zurückgeben? Die Reihenfolge der Rückforderung
Besonders interessant wird es, wenn mehrere Kinder zu unterschiedlichen Zeitpunkten beschenkt wurden. Hier greift § 528 Abs. 2 BGB: Unter mehreren Beschenkten haftet der früher Beschenkte (z.B. der Sohn, der die Immobilie erhielt) nur insoweit, als der später Beschenkte (z.B. die Tochter, die das Geld erhielt) nicht verpflichtet ist oder nicht leisten kann.
Das bedeutet: Im Pflegefall muss zunächst der zuletzt Beschenkte das Geschenk zurückgeben – in unserem Beispiel also die Tochter das Geld. Erst wenn dieses Geld nicht ausreicht, kann der Sozialleistungsträger auch auf die Immobilie des Bruders zugreifen. Diese Regelung ist vielen nicht bekannt und kann zu unerwarteten Konsequenzen führen.
Praktische Konsequenzen für Familien
1. Schenkungen gut planen: Wer mehrere Kinder zu unterschiedlichen Zeitpunkten beschenkt, sollte sich der gesetzlichen Haftungsreihenfolge bewusst sein. Es empfiehlt sich, alle Ausgleichszahlungen und Schenkungen möglichst zeitnah (ggf. im selben Vertrag) und transparent zu regeln, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.
2. Wohnungsrecht als Absicherung: Das lebenslange Wohnungsrecht schützt den Schenker, solange er die Immobilie selbst bewohnt. Muss er jedoch ins Pflegeheim umziehen und verzichtet auf das Wohnungsrecht, kann die Immobilie verkauft werden – mit möglichen steuerlichen und rechtlichen Folgen. Es muss daher auf die richtige Ausgestaltung des Wohnungsrechts geachtet werden!
3. Sozialamt kann Rückforderung geltend machen: Auch wenn der Schenker selbst keine Rückforderung will, kann das Sozialamt im Pflegefall die Schenkungen der letzten zehn Jahre zurückfordern, um die Pflegekosten zu decken.
4. Steuerliche Aspekte: Wird ein Geschenk zurückgegeben, kann Schenkungsteuer anfallen – insbesondere, wenn keine rechtliche Rückgabepflicht besteht. Bei einer Pflicht zur Rückgabe entfällt die Schenkungsteuer, da es sich nicht um eine freigebige Zuwendung handelt.
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