Entziehung des Pflichtteils

Entziehung des Pflichtteils, Straftäter

Das Gesetz sieht die Möglichkeit vor, einem Abkömmling den Pflichtteil zu entziehen.

 

Was hat es damit genau auf sich? Wie funktioniert dies?

 

Pflichtteil

Das Gesetz sichert bestimmten Personen eine Mindestteilhabe am Nachlass eines Verstorbenen zu. Insoweit haben z.B. Kinder einen Anspruch auf einen Pflichtteil nach ihren Eltern.

 

Die Höhe des Pflichtteils beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.

 

Beispiel: V ist unverheiratet und hat zwei Kinder (Sohn/Tochter). In einem Testament setzt er die Tochter zu seiner alleinigen Erbin ein. Ohne das Testament hätten beide Kinder zu je 1/2 den Vater beerbt. Dadurch, dass die Tochter aufgrund Testaments alleine erbt, hat der Sohn einen Anspruch auf den Pflichtteil. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte von 1/2, also 1/4.

 

Entziehung des Pflichtteils

Voraussetzungen

 

Die Hürden, um den Pflichtteil wirksam zu entziehen, sind hoch. Es müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein:

 

 

  1. Es muss ein gesetzlicher Grund für eine Pflichtteilsentziehung vorliegen (§ 2333 BGB).

  2. Die Entziehung des Pflichtteils muss in einer letztwillige Verfügung (z.B. Testament) angeordnet werden (§ 2336 I BGB).

  3. Der Grund der Entziehung muss zum Zeitpunkt der Errichtung dieser letztwilligen Verfügung vorliegen (§ 2336 II BGB).

  4. Schließlich muss der Grund der Entziehung in der Verfügung angegeben werden. (§ 2336 II BGB).

 

 

Gründe für eine Pflichtteilsentziehung

 

Welche Gründe für eine Pflichtteilsentziehung sind möglich? Dies zeigt ein Blick in das Gesetz (§ 2333 BGB).

 

  1. Der Abkömmling hat dem Erblasser, dem Ehegatten des Erblassers, einem anderen Abkömmling oder einer dem Erblasser ähnlich nahe stehenden Person nach dem Leben getrachtet.
     
  2. Der Abkömmling hat sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen eine der in Ziffer 1 bezeichneten Personen schuldig gemacht.
     
  3. Der Abkömmling hat die ihm dem Erblasser gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig verletzt
     
  4. Der Abkömmling wurde wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 1 Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt und die Teilhabe des Abkömmlings am Nachlass des Erblassers ist deshalb für den Erblasser unzumutbar.  

 

Die Gründe nach Ziffer 1 bis 3 erfordern jeweils eine Verfehlung in Bezug auf den Erblasser.

 

Bei der Ziffer 4 ist dies hingegen nicht erforderlich.

 

OLG Oldenburg, Beschluss vom 08.07.2020, 3 W 40/20

Vor dem OLG Oldenburg wollte ein Sohn Pflichtteilsansprüche nach seiner verstorbenen Mutter durchsetzen. Dies wollte er auf Staatskosten tun, also Prozesskostenhilfe haben. 

 

Der Sohn war wegen schweren Raubes zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden und "saß" in der Justizvollzugsanstalt.

 

Die Verurteilung des Sohnes hatte die Eltern veranlasst, ihren Sohn in ihrem gemeinschaftlichen Testament zu enterben. Zugleich entzogen sie ihm in ihrem Testament den Pflichtteil, wiesen insoweit auf die Freiheitsstrafe des Sohnes hin und dass die Straftat den in der Familie gelebten Wertvorstellungen in hohem Maße widerspricht, weshalb eine Teilhabe des Sohnes an ihrem Nachlass für sie nicht zumutbar sei. 

 

Das OLG bestätigte in seiner Entscheidung, dass der Pflichtteil wirksam entzogen worden ist. Die vom Sohn beantragte Prozesskostenhilfe wurde daher mangels hinreichender Erfolgsaussichten seiner Pflichtteilsklage zurückgewiesen.

 

An dem skizzierten Rechtsstreit wird deutlich, dass die Eltern hinsichtlich der Pflichtteilsentziehung alles richtig gemacht hatten. Insbesondere genügten deren Formulierungen im Testament, was vielfach nicht der Fall ist.

 

 

Autor: Heiko Müller

Rechtsanwalt und Notar
u.a. Fachanwalt für Erbrecht