Was halten Sie vom nachfolgenden Testament?
„Wir setzen uns gegenseitig zum alleinigen und ausschließlichen Erben ein.
Im Falle eines gemeinsamen Todes setzen wir unser Patenkind P als unseren Alleinerben ein“
Es handelt sich um ein handschriftliches gemeinschaftliches Testament eines kinderlosen Ehepaares.
Nun, wo liegt das Problem?
"Gemeinsamer Tod"
Der Ehemann verstarb im Jahr 2011, die Ehefrau viele Jahre später. Das Patenkind P beantragte einen Erbschein, der es als Alleinerben ausweist. Das gefiel den übrigen Verwandten der verstorbenen Ehefrau nicht, die sich als gesetzliche Erben erben sehen.
Wie argumentieren die anderen Verwandten, die die Erbschaft für sich beanspruchen? Sie verweisen auf das Testament, wonach das Patenkind nur für den Fall des „gemeinsamen Todes“ der Ehegatten zum alleinigen Erben eingesetzt worden sei. Vorliegend sind die Ehegatten aber im Abstand von vielen Jahren verstorben. Diese Konstellation werde aber von der Formulierung „gemeinsamer Tod“ nicht erfasst.
Das Nachlassgericht erteilte den von P beantragten Erbschein. Dagegen wurde Beschwerde eingelegt.
KG Berlin, Beschluss vom 15.01.2020
Das Beschwerdegericht (KG Berlin, Beschluss vom 15.01.2020, 6 W 45/19) legte das Testament aus und bejahte - zum Glück des P - die Richtigkeit des erteilten Erbscheins.
Hierzu das KG in seiner Begründung:
„Es ist klärungsbedürftig, ob die Eheleute mit diesen Worten auch den Fall erfassen wollten, dass sie in einem größeren zeitlichen Abstand versterben.
Schon der Wortlaut des Testaments lässt ein solches Verständnis zu. Die Verwendung des Begriffs „gemeinsamer Tod“ ist nach allgemeinem Sprachverständnis - anders als der Begriff „gleichzeitiger Tod“ - nicht notwendig auf einen identischen Todeszeitpunkt oder einen engen zeitlichen Zusammenhang beschränkt, mit ihm kann auch der Tod beider Eheleute nach dem Versterben des länger lebenden Ehegatten als „gemeinsamer“ Zustand verstanden werden. Denn das Eigenschaftswort „gemeinsam“ beinhaltet nach dem allgemeinen Sprachgebrauch keine zeitliche Komponente, sondern hat die Bedeutung von „zusammen“, „miteinander“ oder „gemeinschaftlich“. Die Betonung liegt damit nicht auf einem in einem engen zeitlichen Zusammenhang stehenden Ereignis, sondern kann auch auf einen Sachverhalt hindeuten, der einen „gemeinsamen“ Zustand, nämlich den Tod beider Eheleute nach dem Versterben des zunächst überlegenden Ehegatten beschreibt. Dementsprechend kann die Formulierung auch in dem Sinne zu verstehen sein, dass damit der Zeitpunkt gemeint sein soll, in dem beide Eheleute „gemeinsam“ tot sind, also im Sinne „wenn wir beide tot sind“, und dass für diesen Fall die Einsetzung des Alleinerben als Schlusserben des Letztversterbenden erfolgen sollte“.
OLG Jena, Beschluss vom 23.02.2015
Die Entscheidung hätte für den P aber auch ganz anders ausgehen können - so etwa wie in der Entscheidung des OLG Jena (Beschluss vom 23.02.2015, 6 W 516/14). Dort hatten Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament verfügt:
„Hiermit setzen wir uns beide beim Tode eines Ehepartners gegenseitig zum Alleinerben ein.
Im Falle unseres gemeinsamen Todes sollen unsere Kinder unsere Erben sein“.
Das OLG Jena vertritt die Auffassung, die Regelung („unseres gemeinsamen Todes“) sei nur so zu verstehen, dass sie ausschließlich für den Fall verfügt ist, dass die Eheleute entweder zusammen, d.h. zeitlich oder in einem derart engen zeitlichen Zusammenhang versterben, dass dem kurzzeitig überlebenden Ehegatten praktisch keine Möglichkeit mehr bleibt, ein (neues) Testament zu errichten.
Hierzu das OLG Jena:
„Der Begriff „gemeinsam“ bedeutet seinem Wortsinn nach, dass mehrere Ereignisse miteinander bzw. zusammen eintreten. Von einem in diesem strengen Wortsinn zusammen eintretenden Tod mehrerer untereinander erbberechtigter Personen, der dazu führt, dass keiner des anderen Erbe werden kann, lässt sich daher in erbrechtlicher Hinsichtlich nur sprechen, wenn die betreffenden Personen im gleichen Bruchteil einer Sekunde den Tod gefunden haben. … Im Entscheidungsfall fehlt es an besonderen, aus dem Testament abzuleitenden Umständen, die entgegen dem aus einem „gemeinsames Versterben“ beschränkten Wortlaut unausgesprochen voraussetzen, dass die Erbeinsetzung der Kinder auch als Schlusserbeneinsetzung nach dem längerlebenden Ehegatten verfügt ist. … Die von den testierenden Ehegatten gewählte Formulierung lautet kurz und knapp lediglich, dass im Falle ihres gemeinsamen Todes die Kinder Erben sein sollen. Für ein seinerzeitiges Vorstellungsbild der Eheleute, hiermit bereits die Vermögensnachfolge umfassend auch schon für die Erbfolge nach dem Längerlebenden zu regeln, gibt die Formulierung nichts her“.
Tipp
Wenn Sie für Ihre Erben später Klarheit haben wollen, sollten Sie sich auf ein solches "Roulette" nicht einlassen.
Anstatt pauschal den "gemeinsamen Tod" im Testament zu regeln, müssen Sie genauer formulieren:
„Wir setzen uns hiermit, der Erstversterbende den Längstlebenden, zum alleinigen und unbeschränkten Vollerben ein. Jeder von uns beruft sowohl für den Fall, dass er der Längstlebende von uns ist, als auch für den Fall, dass wir gleichzeitig oder kurz hintereinander aus gleichem Anlass versterben, zu unseren Vollerben...“.
Autor: Heiko Müller
Rechtsanwalt und Notar
Fachanwalt für Erbrecht
Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)