Erbausschlagung zugunsten anderer Personen

Lenkende Ausschlagung einer Erbschaft: Was ist das?

Es gibt manche Situation, in der ein Erbe zugunsten anderer Personen auf das Erbe verzichten möchte und daher auf die Idee kommt, einfach die Erbschaft auszuschlagen.  

 

Gedanke ist dabei häufig, gerade wenn mehrere Personen geerbt haben, dass, wenn man ausschlägt und damit „aus dem Erbe raus ist“, die verbleibenden Erben den Nachlass alleine erhalten.

VIDEO

Ausgangsbeispiel

Stellen wir uns eine typische Familie vor:

 

Zwei Ehepartner und zwei Kinder.

 

Die Ehepartner versäumen ein Testament zu errichten. Ein Ehegatte, sagen wir der Vater, stirbt.

 

Es ist dann ja nicht so, wie manche Ehepartner meinen, dass der verbleibende Ehegatte der alleinige Erbe ist.

 

Nein.

 

Vielmehr erben der Ehepartner und die beiden Kinder, bilden also eine Erbengemeinschaft.

 

Was ist, wenn die Mutter über den Nachlass frei und allein entscheiden möchte, also so, als gäbe es ein Testament mit dem ihr Ehemann sie zur alleinigen Erbin eingesetzt hat? 

 

Können nun die Kinder, wenn sie dem Wunsch ihrer Mutter entsprechen wollen, zu deren Gunsten auf das Erbe verzichten, indem sie einfach die Erbschaft ausschlagen?

 

Die Mutter bliebe doch als alleinige Erbin übrig, wenn die beiden Kinder die Erbschaft ausschlagen… oder nicht?

 

Was bewirkt eine Erbausschlagung?

Die Folge einer Ausschlagung ist, dass die ausschlagende Person als „Erbe“ raus ist. 

 

Damit geht aber nicht die Rechtsfolge einher, dass sich die Erbteile der verbleibenden Erben automatisch erhöhen.

 

Vielmehr fällt die Erbschaft demjenigen an, welcher berufen sein würde, wenn der Ausschlagende zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte (§ 1953 II BGB)!

 

Situation im Beispiel

Wenn wir das auf unser Beispiel anwenden, bedeutet dies:

 

Schlagen die Kinder die Erbschaft aus, dann geht die ihnen angefallene Erbschaft also nicht automatisch auf die Mutter über, sondern auf diejenige Person, die insoweit Erbe geworden wäre, wären die Kinder vorverstorben.

 

Wer wäre das? 

 

Nun, wären die Kinder vor dem Erbfall verstorben, dann wären deren Kinder nachgerückt, also die betreffenden Enkel.

 

Die Mutter, die allein und frei über den Nachlass verfügen will, hätte damit wohl eine noch schlechtere Position, gerade wenn die Enkel noch minderjährig sind. Denn nun müsste sich die Mutter nicht nur mit dem jeweiligen Schwiegerkind, das im Rahmen des gemeinsamen Sorgerechts ja die Enkel mitvertritt, sondern ggf. auch mit dem Familiengericht auseinandersetzen.

 

Kinder haben keine Kinder

Wäre die Situation in dem Beispiel anders, wenn die Kinder keine Kinder haben und ausschlagen?

 

Dann bliebe doch die Mutter als einziger Erbe des Vater übrig, oder?

 

Nein!

 

Ohne Testament erbt nach dem gesetzlichen Ehegattenerbrecht ein Ehegatte nur dann allein, wenn „weder Verwandte der ersten oder der zweiten Ordnung noch Großeltern vorhanden“ sind (§ 1931 II BGB).

 

  • Verwandte der ersten Ordnung sind die Abkömmlinge. Hier gibt es kein Problem, denn in dem  abgewandelten Beispiel haben die Kinder ihrerseits keine Kinder.

 

  • Aber: Gibt es Verwandte der zweiten Ordnung? Das sind die Eltern des Verstorbenen und deren Abkömmlinge, also Geschwister des Erblassers oder Nichten/Neffen.

 

Leben noch die Eltern des Verstorbenen oder falls nicht, z.B. Geschwister des Erblassers, dann erben diese neben dem Ehepartner! Die Mutter hätte sich folglich mit ihren Schwiegereltern oder einem Schwager/Schwägerin auseinanderzusetzen, wäre aber keinesfalls hinsichtlich des Nachlasses frei!

 

Korrektur einer voreiligen Erbausschlagung?

Was ist, wenn im Beispiel die Kinder voreilig eine Ausschlagung erklärt haben und sie im Nachhinein feststellen, dass das eine schlechte Idee war?

 

Kann man eine missglückte Ausschlagung hier rückgängig machen?

 

Bisher war es teilweise möglich, die Erbausschlagung anzufechten, so mit der Begründung, man habe sich über den Umstand, dass die Mutter nicht Alleinerbin wird, sondern stattdessen andere Personen „nachrücken“, geirrt. So hatte dies etwa das OLG Frankfurt gesehen (Beschluss vom 06.02.2021, 21 W 167/20). Das OLG Hamm (Beschluss vom 21.04.2022 – 15 W 51/19) hatte dagegen eine Anfechtungsmöglichkeit verneint.

 

Nun hat der BGH Klarheit geschaffen und diesen Meinungsstreit beendet. Nach Auffassung des BGH ist eine Anfechtung der Erbausschlagung in derartigen Fällen nicht möglich.

 

Die BGH-Entscheidung ist noch ganz frisch und wurde erst vor wenigen Tagen - nach Fertigstellung des obigen Videos - veröffentlicht (BGH, Beschluss vom 22.03.2023, IV ZB 12/22). Sie können die Entscheidung am Ende des Artikels als PDF-Datei herunterladen.

 

Fazit

Eine sog. lenkende Erbausschlagung ist sehr riskant. Immer wieder gibt es hier für die Betroffenen in der Praxis „böse Überraschungen“! Eine eingehende Prüfung ist hier wichtig, die leider unter Zeitdruck erfolgen muss, da eine Ausschlagung nur innerhalb einer Frist von 6 Wochen möglich ist.

 

Eine Anfechtung der Erbausschlagung ist aufgrund der aktuellen BGH-Entscheidung in Fällen wie im Beispiel nicht mehr möglich.

 

Gleichwohl kann die Ausschlagung einer Erbschaft ein Instrument sein, Steuer zu sparen, gerade wenn Freibeträge sonst nicht vollständig ausgeschöpft werden.

 

 

Weitere Informationen zum Thema Erbausschlagung

BGH, Beschluss vom 22.03.2023, IV ZB 12/22

Download
BGH-Entscheidung vom 22.03.2023.pdf
Adobe Acrobat Dokument 192.9 KB