Dieselskandal: Aufpassen lohnt sich!

Autofahrer sollten weiterhin nicht nur im Straßenverkehr gut aufpassen! Wer meint,  der sog. Dieselskandal sei längst Schnee von gestern, der irrt gewaltig. Ein Blick in den Papierkram rund um's eigene Auto kann sich lohnen, denn in Bezug auf den Dieselskandal positionieren sich immer mehr Gerichte zugunsten von Verbrauchern.

 

Verjährung

Zwar sind einige Fahrzeuge schon vor Jahren gekauft worden und u. U. Verjährungsfristen abgelaufen – dies gilt aber längst nicht in jedem Fall! Es kommt darauf an, wann der betreffende Kunde persönlich davon erfahren hat, dass sein Fahrzeug vom sog. Dieselskandal betroffen ist. Dies ist nicht zwingend beim Erscheinen von Presseberichten der Fall, sondern erst ab dem Zeitpunkt, wo dem betroffenen Kunden offiziell mitgeteilt wurde, dass sein Fahrzeug von einer Abgasmanipulation betroffen ist und ein sog. Software-Update benötigt.

 

Haben Sie als Kunde erstmals im Jahr 2016 vom Abgasskandal erfahren? Oder haben Sie nur eine „verdächtige“ Information erhalten, dass es einen „angeordneten Rückruf“  des Herstellers gibt und ein Software-Update erforderlich sei, ohne dass Ihr Fahrzeug mit einem offiziell vom Abgasskandal betroffenen Motor ausgestattet war? Dann lohnt es sich, genauer hinzuschauen.

 

Dies haben offensichtlich auch schon mehrere Gerichte erkannt, so etwa das OLG Karlsruhe (Pressemitteilung). In diesem Sinne haben auch z.B. die Landgerichte Hannover und Freiburg zugunsten der Verbraucher entschieden.

 

Der vom Landgericht Hannover (Urteil vom 13.05.2019, 1 O 129/18) entschiedene Rechtsstreit betraf einen VW Touareg 3.0 TDI mit Abgasnorm Euro 6. Um dieses Fahrzeugmodell ging es auch vor dem Landgericht Freiburg. Der Kläger hatte das Fahrzeug im Herbst 2015 gekauft. Im März 2018 erhielt er ein Rückrufschreiben des Herstellers (Rückrufaktion 23Y3). Das Gericht gab dem Käufer Recht und bestätigte dessen direkten Schadensersatzanspruch gegenüber dem Hersteller.

 

Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung

Erfreulich ist auch, dass sich schon mehrere Oberlandesgerichte zugunsten der vom Abgasskandal geschädigten Kunden positioniert haben. Dies gilt auch für das Oberlandesgericht Celle. Dieses hat deutlich zu erkennen gegeben, dass es eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der VW-Kunden bejahen möchte (OLG Celle 7. Zivilsenat, Beschluss vom 01.07.2019, 7 U 33/19).

 

Im konkreten Fall hatte der Käufer sein Fahrzeug (VW Golf Plus 2.0 TDI mit Dieselmotor vom Typ EA 189) allerdings in Kenntnis des Abgasskandals erworben. Er ging, da er sich im Bewusstsein der Manipulation auf ein solches Fahrzeug eingelassen hatte, letztlich leer aus.

 

Im Ergebnis bedeutet das jedoch, dass man – sofern im Kaufzeitpunkt die Manipulation des konkreten Fahrzeugs nicht bekannt war –  das betroffene Fahrzeug zurückgeben und den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung zurückverlangen kann.

 

Nutzungsentschädigung

Die Nutzungsentschädigung ist für die zwischenzeitlich gefahrenen Kilometer anzurechnen. Der Wertverlust bei der Veräußerung gebrauchter Fahrzeuge ist jedoch regelmäßig viel größer als das, was sich der betreffende Kunde als Nutzungsentschädigung  anrechnen, d. h. vom gezahlten Kaufpreis abziehen lassen muss. Sollten Sie Zweifel haben, ob ein Rechtsstreit lohnt, ermitteln wir gerne kostenlos und unverbindlich die voraussichtliche Höhe der Nutzungsentschädigung für  Sie.  

 

Zinsen auf den Kaufpreis

Noch offen ist die Frage, ob Kunden, die ein von der Abgasmanipulation betroffenes Fahrzeug erworben haben, ihrerseits Zinsen auf den gezahlten Kaufpreis verlangen können und das ggf. ab dem Kaufdatum.

 

Das OLG Köln (Beschluss vom 29.04.2019, 16 U 30/19) und einige Landgerichte meinen: JA.

 

Sollte sich diese Auffassung durchsetzen, wäre das für die geschädigten Kunden äußerst erfreulich. 

 

Bundesgerichtshof

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat zum VW-Abgasskandal noch kein abschließendes Urteil gefällt. Dass die zuständigen BGH-Richter Anfang des Jahres 2019 erstmals eine kundenfreundliche Rechtsansicht in Sachen Dieselskandal öffentlich gemacht haben kann als wegweisender Fingerzeig verstanden werden. Unter den Beobachtern der Situation ist es im Übrigen ein offenes Geheimnis, dass VW darum bemüht ist, ein BGH-Urteil zu vermeiden.

 

Fazit

Für alle betroffenen Kunden bedeutet das: werden Sie aktiv, lassen Sie sich juristisch beraten, die Vorzeichen sind ausgesprochen günstig. 

Autorin: Dr. Franziska Meyer-Hesselbarth
Rechtsanwältin